* Ein Aufsatz von P. Anthony Cekada vom 10. 7. 2006
* Erschienen auf www. traditionalmass.org
Sollen wir trotz der Bugnini-Connection dem „letzten wahren Papst“ folgen?
Im April 2006 veröffentlichte ich einen kurzen Artikel, in welchem ich ausführte, warum der Karwochenreform von Pius XII. nicht zu folgen ist und warum das Festhalten an der alten liturgischen Praxis nicht illegal oder willkürlich ist, bzw. ein „Herauspicken“ á la FSSPX.
Meine Position ist die, daß die Gesetze, welche diese Reform einführten, heute nicht mehr bindend sind. Grund dafür ist folgendes:
1. Sie entbehrten einer wichtigen Qualität des Kirchenrechtes, nämlich der Stabilität.
2. Sie wurden wegen der Änderung der Umstände gefährlich und verloren ihre Bindungskraft.
Um meine These zu stützen, zitierte ich ausführlich aus einer Schrift von P. Annibale Bugnini aus dem Jahre 1955. Dieser war nicht nur federführend bei der Reform der Karwoche [durch Pius XII.], er war auch der Hauptverantwortliche für die Einführung des Novus Ordo im Jahre 1969. Bugnini beschrieb die Reformen hier als vorläufige, bzw. als Schritte hin zu einer größeren Reform, nämlich des Novus Ordo.
Es stellten sich nun einige Fragen, auf die ich eine Antwort versuchen möchte:
Stabilität und Intention des Gesetzgebers
Gesetzgeber ist der Papst, nicht Bugnini. Ist nicht sein Akt verbindlich?
Im Jahre 1948 wurde dem Papst ein Akt von 340 Seiten vorgelegt, “ Memoria sulla riforma liturgica“. Signiert war dieser Akt von Ferdinand Antonelli OFM, der Bugnini ausdrücklich dankt. Antonelli gehörte später, ebenso wie Bugnini, zu den Baumeistern des NOM.
Das Memorandum spricht ausdrücklich davon, daß eine komplette und generelle Revision der Liturgie nicht von heute auf morgen bewerkstelligt werden kann. Die Reform müsse mit dem Brevier beginnen, dem das Meßbuch, das Martyrologium und die weiteren liturgischen Bücher folgen. Jeder Schritt müsse vom Papst genehmigt werden. Der Prozeß müsse in einem „Kodex des liturgischen Rechts“ kulminieren, der gemeinsam mit den Reformen erarbeitet werden müsse und ihre Stabilität garantiert.
Das Memorandum stellte einer „Zweiten Arbeitsphase“ Möglichkeiten in Aussicht wie einen NOM-ähnlichen mehrjährigen Zyklus von Schriftlesungen, den Gebrauch der Volkssprachen, die Förderung von „Teilhabe“, Konzelebration und die Änderung der Meßstruktur.
In der Praxis wurde lediglich wurde zunächst nur das Brevier verändert und die Karwoche. Ein „Kodex des liturgischen Rechts“ wurde nicht veröffentlicht. Der transitorische Natur der Reform wurde unterstrichen. Es ist völlig klar, daß Pius XII. die Reform nur als Schritt betrachtete, einen Schritt in unbekannte Richtung. Dieser Schritt dauerte bis 1960, als Johannes XXIII. seine Reformen in Gang setzte. Die Reformen hatten also keine Stabilität und sind deshalb nicht länger bindend.
Veränderte Umstände
Als veränderte Umstände muß man auch die Tatsache bezeichnen, daß die Veränderungen durch NOM etc. in den Schatten gestellt worden sind.
Unter den Prinzipien und Fakten, die xxx … vorliegen, könne wir folgende nennen:
# Die Liturgie muß pastoralen Prinzipien folgen.
# Die Volkssprache gehört in die Liturgie.
# Die Rolle des Priesters muß reduziert werden.
# Laien sollen mittels Gebeten und Lieder teilnehmen.
# Einführung neuer liturgischer Rollen.
# Gebete und Zeremonien müssen moderne Bedürfnisse erfüllen.
# Überflüssige Doppelungen müssen entfernt werden.
# Die Meßordnung muß verändert oder verstümmelt werden.
# Das Credo kann weggelassen werden.
# Passivität des Priesters bei den Schriftlesungen.
# Möglich dem Volk zugewendet zelebrieren.
# Betonung des Heiligen reduzieren.
# Liturgische Texte, die Häretiker, Schismatiker oder Juden stören könnten, müssen verändert werden.
# Die Ehrfurcht vor dem hl. Sakrament muß herabgesetzt werden.
In den 50er Jahren wurde das eine oder andere umgesetzt, ohne daß dies in den Einzelheiten grundsätzlich als schlecht zu erkenne war. Erst aus der Perspektive von heute können wir erkennen, daß hier der Fuß in die Tür gesetzt wurde, die zum NOM führte.
Die Indefektibilität der Kirche
Grundsätzlich muß man die Reform der Karwoche ablehnen, wenn man den NOM ablehnt. Und die Zeit hat den Charakter dieser Reform verändert. Kanonisten und Moraltheologen<ref>z. B. Cocchi, Michels, Noldin, Wernz-Vidal, Vermeersch, Regatillo, Zalba</ref> lehren, daß der Charakter von Gesetzen sich im Laufe der Zeit ändern kann. Deshalb kann man nicht behaupten, daß die Ablehnung der Karwoche von Pius XII. der Lehre widerspricht, daß die Kirche unfehlbar ist, wenn sie universelles Recht setzt. Ebensowenig kann man sagen, daß hier ein Papst-Sieben betrieben wird.
Papst-Sieben?
Die Essenz des „Papst-Siebens“ besteht darin, ein privates Urteil über die Lehren und die Rechtsprechung eines lebenden Papstes zu fällen, verbunden mit der Weigerung, sich diesem Papst zu unterwerfen. Die FSSPX hat dieses Papst-Sieben zum fundamentalen Prinzip ihres Apostolats gemacht. Für diejenigen jedoch, die sich nicht der liturgischen Gesetzgebung von Pius XII. unterwerfen, gibt es keine lebenden Papst, der „gesiebt“ wird oder dem Gehorsam verweigert wird. Hier wird lediglich an liturgische Gesetze dieselbe Elle angelegt wie an andere kirchliche Gesetze.
Wir wenden auf diese Gesetze lediglich dieselben grundlegenden Prinzipien an wie auf alle kirchlichen Gesetze: Wenn angesichts der Krise des II. Vatikanum ein besonderes Gesetz<ref>e.g., restrictions on delegations for administering sacraments, dimissorial letters for ordinations, permissions for erecting churches, faculties for preaching, requirements for Imprimaturs, etc.</ref> sich abträglich erweisen würde, dann betrachten wir dieses Gesetz nicht länger als bindend.
Oder folgendermaßen: Wer, wie die FSSPX eine Person als Papst anerkennt, dann akzeptiert sie diesen als Gesetzgeber. Er entscheidet, welche Gesetze anzuwenden sind und wie sie zu interpretieren sind.
Als Sedisvakantist hat man keinen Papst als Rechtsquelle zur Verfügung. Wenn sich rechtliche Fragen stellen ist man auf die Anwendung bestimmter Prinzipien angewiesen.
Die Frage des Gehorsams
Es stellt sich nun die Frage, wie dies mit der Gehorsamspflicht vereinbar ist. Wird hier nicht die Gesetzgebung und das Urteil der Kirche in frage gestellt?
Die Prinzipien bzgl. Punkt 1 „Stabilität“ und Punkt 2 „Kassieren von Gesetzen, die schädlich werden“ finden sich in erprobten Kommentaren des Kirchlichen Rechts. Wenn die Anwendung dieser Prinzipien mit der Tugend des Gehorsams unvereinbar wären, wären sie nicht approbiert worden.
Daraus folgt, daß man die liturgische Gesetzgebung des „letzten Papstes“ zugrundelegen muß. Das ist jedoch nicht ganz so einfach.
… [Nun schildert Cekada kurz die legalen Probleme. Und er kommt zu dem Ergebnis:]
Folgt den liturgischen Riten, wie sie vor der modernistischen Herumpfuscherei existierten!
Wir Traditionalisten beteuern unermüdlich unsere Verpflichtung auf die traditionelle Lateinische Messe und auf die liturgische Tradition der Kirche. Es wäre schlicht und einfach sinnlos, Tradition zu schützen, die erst in den 1950er Jahren erfunden wurden.
Die Tradition, die wir erhalten wollen, reicht in die Antike zurück, – und nicht in die Amtszeit von Bugnini.